Evangelischer Buchpreis 2015

Jahr:
2015
Genre:
Roman
Autor:
Nina Jäckle
Titel:
Der lange Atem
Klöpfer & Meyer, 2014
Verleihung:
30. September 2015
Assapheum in Bethel/Bielefeld
Begrüßung:
Präses Annette Kurschus
Laudatio:
Judith Brandner, Radiojournalistin, Wien
Begründung der Jury
Nina Jäckle führt uns Lesende in das Japan des Jahres 2011 an die Küstenregion in der Nähe Fukushimas. Der namenlose Ich-Erzähler ist Phantombildzeichner. Er hat ein halbes Jahr nach der Fukushima-Tsunami-Katastrophe den Auftrag, anhand von Fotos entstellter Tsunami-Opfer Zeichnungen anzufertigen, die es den Hinterbliebenen ermöglichen, ihre Verstorbenen zu identifizieren. Er selbst und seine Frau wohnten und wohnen in der Küstenregion, waren jedoch zum Zeitpunkt des Tsunami nicht in ihrem Ort. Einzig ein Kind, die Nachbarstochter Aoko, trägt einen Namen; auch sie ist verschollen.
Wie können Menschen nach einer Katastrophe mit den Folgen, mit dem Verlust, dem Schmerz und der Trauer weiterleben? Dieser Frage nähert sich Nina Jäckle ganz behutsam. Mit ihrem herausragenden Buch holt die Autorin ein Ereignis erneut in unser Bewusstsein, das für viele andere Katastrophen stehen kann. In einer Sprache, die sich am Rhythmus von Wellenbewegungen orientiert, erzählt sie, wie der Zeichner und seine Frau sowie die Hinterbliebenen ganz unterschiedliche Wege gehen, mit den Verlusten zu leben.
Nina Jäckle hinterlässt mit ihrem kleinen Roman „Der lange Atem“ großen Eindruck. In dem literarisch streng durchkomponierten Werk schafft sie Bilder von bleibender Intensität. Mit ihrer vorsichtigen, taktvollen Erzählweise gelingt es ihr, Unfassbares in Worte zu fassen und anzudeuten, wie ein Weiterleben möglich ist.
Die Arbeit des Zeichners wirkt dabei wie eine Metapher. Die anonymen Opfer bekommen wieder Namen. Fast ist es so, als erwachten sie in den Bilder des Zeichners zu neuem Leben in Würde und Unversehrtheit.
Über die Autorin
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Nina Jäckle wurde 1966 in Schwenningen geboren, wuchs in Stuttgart auf, besuchte Sprachschulen und wollte ursprünglich Übersetzerin werden. Mit 25 beschloss sie lieber selber zu schreiben, erst Hörspiele, dann Erzählungen, dann Romane. Ihre ersten Bücher erschienen im Berlin Verlag. Bei Klöpfer & Meyer erschienen 2010 mit großem Erfolg ihre Erzählung „Nai oder was wie so ist“ sowie 2011 ihr Roman „Zielinski“.
Nina Jäckle erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, zuletzt 2014 den Tukan-Preis der Stadt München für „Der lange Atem“ und 2015 den Italo-Svevo-Preis für ihr literarisches Werk.
Die Preisverleihung
Der Evangelische Buchpreis wird seit 1979 vom Dachverband evangelischer öffentlicher Büchereien, dem Ev. Literaturportal verliehen. Gesucht werden Bücher, die anregen über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott neu nachzudenken. Für 2015 haben Leserinnen und Leser 115 Titel vorgeschlagen. Die Jury wählte neben dem Preisbuch 12 weitere Titel für die Empfehlungsliste aus: Romane und Kinder-und Jugendbücher. Der Jury gehören vier ehrenamtlich Mitarbeitende evangelischer öffentlicher Büchereien, zwei Jugendliche, eine Diplombibliothekarin, ein Theologe und die Geschäftsführung des Ev. Literaturportals an. Der Evangelische Buchpreis ist mit 5.000 Euro dotiert. Er wird der Autorin am 30. September 2015 im Assapheum in Bielefeld / Bethel überreicht.