Evangelischer Buchpreis 2013

Jahr:
2013
Genre:
Roman
Autor:
Jenny Erpenbeck
Titel:
Aller Tage Abend
Knaus , 2012
Verleihung:
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens,
Alte Handelsbörse in Leipzig
Begrüßung:
Landesbischof Jochen Bohl
Laudatio:
Verena Auffermann
Begründung der Jury
„Aller Tage Abend“ – der Titel setzt weniger ein Faktum als vielmehr ein Fragezeichen: Was lässt trotz der Erfahrungen vom Vorabend einem neuen Tag entgegengehen, was entgegen der Hoffnungslosigkeit neu anfangen? Jenny Erpenbecks neuer Roman beginnt schonungslos mit dem plötzlichen Kindstod eines Säuglings. Sprachgewaltig lässt die Autorin eine Welt am Anfang des 20. Jahrhunderts im jüdisch-christlichen Milieu Galiziens erstehen: Die stumme Trauer der erst achtzehnjährigen Mutter, das Auseinanderdriften der Eheleute, die Reaktionen der wegen der Heirat mit einem Nicht-Juden entzweiten Familie. Doch es ist nicht aller Tage Abend. Jenny Erpenbeck erweckt ihre namenlose Protagonistin durch ein Intermezzo zum Leben und skizziert, wie sich das Geschick der Familie hätte entwickeln können. In vier weiteren „Büchern“ werden die Möglichkeiten einer Biographie ausgelotet: Jugend und erste Liebe im vom Hunger geprägten Wien der Zwanziger Jahre, bedrohte Künstlerexistenz im Moskau des Stalinismus, Karriere als hochdekorierte Schriftstellerin im Ostberlin der Sechziger Jahre und vom Sohn betrauerter Tod der Neunzigjährigen im Altenheim im Berlin der Nachwendezeit. Dabei bleibt die Fragilität der menschlichen Existenz immer im Bewusstsein, jedes Buch endet mit einem durchaus möglichen, denkbaren Tod, jedes Intermezzo behauptet die Möglichkeit des (Über)Lebens. Diese mutige, ein Jahrhundert umspannende Konstruktion gelingt, weil Jenny Erpenbeck über eine wunderbare Sprache verfügt. Kunstvoll webt die Autorin Redewendungen, Bibel- und Literaturzitate ein und verknüpft diese mit der Alltagssprache der Personen. Bewundernswert gelingt es ihr, jedes Kapitel in eine eigene, die Leserschaft fesselnde Form zu gießen.
Was bestimmt unser Leben? Die Herkunft, die Politik, der Zufall, das Schicksal? Mit „Aller Tage Abend“ hat Jenny Erpenbeck einen in Inhalt und Form herausragenden Roman über die Grundfragen der menschlichen Existenz geschrieben.
Über die Autorin
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Jenny Erpenbeck, 1967 in Ost-Berlin geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung als Buchbinderin und studierte Theaterwissenschaften. Neben der Regiearbeit an verschiedenen Theatern debütierte sie 1999 als Schriftstellerin mit der „Geschichte vom Alten Kind“. Ihre Prosa wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Solothurner Literaturpreis und dem Heimito von Doderer-Literaturpreis, beide 2008 für den Roman „Heimsuchung“.
Die Preisverleihung
Der Evangelische Buchpreis 2013 wird zum 35. Male verliehen. Er ist ein Leserpreis, dessen Auswahl ausschließlich auf Vorschlägen von Leserinnen und Lesern beruht. Der Evangelische Buchpreis ist mit 5.000 Euro dotiert. Er wird der Preisträgerin am 15. Mai 2013 in der Alten Handelsbörse in Leipzig verliehen.